Was sind die gesetzlichen Grundlagen der Inventur(verfahren)?
Die gesetzlichen Grundlagen findet man in §§ 240 – 241 a) HGB.
Demnach gehören nicht nur Vorräte, sondern alle Vermögensgegenstände und Schulden zum Inventar.
Man unterscheidet folgende Inventurarten:
- Buchinventur
- Körperliche Inventur
Des Weiteren unterscheidet man folgende Inventurverfahren:
- Stichtagsinventur
- Vorgelagerte Inventur (Stichtag – 3 Monate)
- Nachgelagerte Inventur (Stichtag + 2 Monate)
- Permanente Inventur
Was ist der Risikoorientierter Prüfungsansatz (IDW PS 261 n.F.) und wie wird dieser auf die Inventurbeobachtung angewandt (IDW PS 301)?
Die Prüfung des Jahresabschlusses ist risikoorientiert durchzuführen.
Der risikoorientierte Prüfungsansatz lässt sich im Allgemeinen wie folgt darstellen:
Risiko im Allgemeinen ist das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit (Likelihood), dass ein ungünstiges Ereignis eintreten wird, und dessen (monetären) Auswirkung auf das Unternehmen (Impact).
Das inhärente Risiko ist das dem einzelnen Posten des Jahresabschlusses oder dem einzelnen Prüfungsfeld innewohnende Risiko. Es entsteht beispielsweise aus dem allgemeinen Geschäftsrisiko, der Dynamik und der Komplexität des Unternehmensumfelds sowie komplexen Vorschriften und Prozessen, die dem einzelnen Posten ohne Einwirkung des Unternehmens zu Grunde liegen.
Um das inhärente Risiko zu erkennen und zu adressieren, richtet das (zu prüfende) Unternehmen ein internes Kontrollsystem ein (IKS). Das Kontrollrisiko beschreibt die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkung, dass ein inhärentes Risiko nicht richtig adressiert wird und dies zu einem materiellen Fehler im Jahresabschluss führt.
Das Produkt aus dem inhärenten Risiko und dem Kontrollrisiko ist das Fehlerrisiko.
Der Abschlussprüfer führt Prüfungshandlungen durch, um das Fehlerrisiko seinerseits zu adressieren. Das Entdeckungsrisiko beschreibt die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkung, dass ein Fehlerrisiko trotz der Prüfungshandlungen nicht richtig adressiert wird und der materielle Fehler im Jahresabschluss verbleibt.
Auf die Vorratsinventur lässt sie der risikoorientierte Prüfungsansatz wie folgt anwenden:
Bei der Prüfung der Vorratsinventur handelt es sowohl eine Prüfung des internen Kontrollsystems, bezogen auf die Vorratsbuchhaltung, als auch um eine Prüfung des Bilanzpostens Vorräte an sich, nämlich dessen Mengengerüsts. Somit hat die richtig durchgeführte Inventurbeobachtung als Prüfungshandlung eine enorme Auswirkung auf das Entdeckungsrisiko des Abschlussprüfers.
Wie wird die Inventurbeobachtung geplant?
Für die Planung der Inventurbeobachtung sind nach IDW PS 301, Tz 8 folgende Fragen zu berücksichtigen:
- Was produziert das Unternehmen? Geschäftstätigkeit des Unternehmens?
- Hierzu kann der IDW PS 230 als Grundlage verwendet werden
- Durchsicht der Vorjahres-Berichte ist hilfreich
- Welche Art der Vorräte ist zu erwarten?
- Handelswaren?
- Fertige und unfertige Erzeugnisse?
- Sind die Vorräte wesentlich?
- Anteil an der Bilanzsumme?
- Anteil der Materialkosten an den Gesamtaufwendungen?
- Wo sind die Vorräte gelagert?
- Lagerplan einholen
- An welchen Orten werden ansonsten noch Inventuren durchgeführt? Wo sollte der Abschlussprüfer beobachten und wo reicht die Bestätigung der Zählung des Außenlagers
- Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Vorräten?
- Konsignationsware ist zu berücksichtigen
- Inventurverfahren
- Vgl. Abschnitt 1
- Zeitlicher Ablauf
- Am besten 2–3 Stunden vor Ende der Inventur mit der Beobachtung anfangen
- Ansonsten hierzu mit dem Mandant abstimmen
Wie wird die Inventurbeobachtung durchgeführt?
Für die Durchführung der Inventurbeobachtung ist nach IDW PS 301, Tz 11 — 32 folgendes zu berücksichtigen:
- Eine Inventurbeobachtung ist IMMER gleichzeitig eine Prüfung des IKS und eine aussagebezogene Prüfungshandlung
- Vgl. Abschnitt 2
- IKS-Aufbauprüfung
- SOLL-SOLL-Vergleich
- Wie sollte die Inventur theoretisch ablaufen (HGB, IDW-Standards)?
- Wie soll laut Inventuranweisung die Inventur ablaufen? Ist das angewandte Inventurverfahren angemessen aufgebaut, um eine ordnungsmäßige Aufnahme des Mengengerüsts sicherzustellen
- IKS-Funktionsprüfung
- SOLL-IST-Vergleich
- Wie soll laut Inventuranweisung die Inventur ablaufen? (siehe oben)
- Wie läuft die Inventur tatsächlich ab? Wurden die Inventurrichtlinien sachgerecht umgesetzt?
- Bestands-Zählung
- Bestands-Zurechnung (eigene vs. fremde)
- Bestands-Bewertung (alt vs. neu, gängig vs. nicht gängig) Bezug zur späteren Vorratsprüfung
- Bestands-Periodenabgrenzung (vor vs. nach Stichtag)
- Aussagenbezogene Prüfungshandlungen (zugleich IKS-Funktionsprüfung)
- Vorhandensein
- Stichprobe „sheet to floor“: wertvollste Vorrräte aus der bewerteten Bestandsliste vorab aussuchen (sheet) und prüfen, ob sie vorhanden sind, also auf dem „Boden“(„floor“) tatsächlich stehen
- Überleitung der Stichprobe zur Bestandsliste nach der Inventur („tie in“)
- Bei vorgelagerter Inventur: Wertfortschreibung bis zum Abschlussstichtag („roll forward“) durch Prüfung der Wareneingänge und ‑ausgänge zwischen Inventurstichtag und Abschlussstichtag
- Vollständigkeit
- Stichprobe „floor to sheet“: Vorrräte per Zufallsausfall im Lager („floor“) aussuchen und diese zur bewerteten Bestandsliste („sheet“) abgleichen
- „tie in“ und „roll forward“ (siehe oben)
- Periodenabgrenzung
- Wareneingänge und ‑ausgänge vor und nach der Inventur prüfen
- Zurechnung
- Werden fremde Vorräte eindeutig abgegrenzt?
- Bestätigungen Außenläger
- „Bewertung“
- „Augen auf“ beim Herumlaufen im Lager: alte/nicht gängige Vorräte müssen identifiziert werden
- Vorhandensein
Wie wird die Inventurbeobachtung dokumentiert?
“not documented is not done”
Eine ordnungsgemäße Dokumentation Inventur sollte gemäß IDW PS 301, Tz 33–35 mindestens folgendes enthalten:
- Prüfungsmemo mit Referenzen auf die unten stehenden Punkte (Reihenfolge!)
- Prüfungsprogramm (Checkliste)
- Inventuranweisungen, Lageplan
- Wareneingänge und Warenausgänge vor der Inventur
- Bewertete Bestandsliste vor der Inventur
- Auswahl der Stichprobe „sheet to floor“
- sämtliche Zählzettel des Mandanten in Kopie
- Überleitung der Stichprobe „sheet to floor“ sowie „floor to sheet“zu dem entsprechenden Zählzettel („tie in“ – Teil 1)
- Bewertete Bestandsliste nach der Inventur
- Überleitung der Zählzettel, zu denen vorher die Stichproben übergeleitet wurden (siehe oben), zur Bewerteten Bestandsliste nach der Inventur („tie in“ – Teil 2)
- Inventurdifferenzliste und Inventurdifferenzbuchungen (GuV-Gegenkonten prüfen)
- Wareneingänge und Warenausgänge nach der Inventur
- Wenn Abschlussstichtag ungleich Inventurstichtag: Bewertete Bestandsliste zum Abschluss-Stichtag und Wertfortschreibung („roll forward“) oder Wertrückrechung (bei nachgelagerter Inventur, „roll backward“ )